Pünktlich morgens um 8 Uhr, steht Reza vor unserem Auto. Er hat sich ja extra freigenommen, um uns weiter seine Stadt zu zeigen. Zunächst machen wir uns auf zur Tarikhaneh-Moschee, der ältesten erhaltenen Moschee im Iran. Vor mehr als 1000 Jahren erbaut, wird sie heute nur noch als Museum genutzt. Als wir hinkommen, ist leider geschlossen. Kein Problem für Reza, ein paar Telefonate und kurz darauf kommt ein älterer Mann mit dem Fahrrad und schließt uns auf. Manchmal ist ein örtlicher "Führer" Gold wert. Später laufen wir noch gemeinsam durch den Basar und versorgen uns mit frischen Lebensmittel. Und ich bekomme eine dünne lange Hose gekauft. Leider viel zu lang, aber die beste Ehefrau von allen will mir unten an den Füßen Gummi einziehen.
Schweren Herzens trennen wir uns von unserem neuen Freund Reza, aber das ist das Schicksal von Reisenden, man lernt neue Leute kennen, muss sie aber kurz darauf wieder verlassen. Einmal mehr kommt mir das Lied "Heute hier, morgen dort" von Hannes Wader in den Sinn. Aber er hilft nichts. Reza lässt uns nur unwillig fahren, gibt uns aber einen Tip für die Weiterfahrt. Nach etwa 40 Kilometern kann man von der Hauptstrecke abbiegen und über eine kaum wahrnehmbare Piste kommt man an einen Salzsee. Na das hört sich doch gut an und dürfte unser nächster Nachtplatz werden. Es folgt eine herzliche Verabschiedung von Reza, wussten wir da doch nicht, dass wir ihn am kommenden Morgen wiedersehen sollten...
Am Rande der Wüste, wo sich noch spärlicher Bewuchs halten kann, treffen wir auf die ersten Kamele.
Der Iran weisst eine geologische Besonderheit auf. Das zentrale Hochland (1000 - 1600m hoch gelegen), das auch die beiden Wüstengebiete Dasht-e-Kavir und Dasht-e-Lut umfasst, ist rings um von höheren Gebirgszügen umgeben. Das Hochland ist also quasi ein hochgelegener riesiger Talkessel, der aufgrund der umliegenden Höhenzüge, keinerlei Wasser-Abfluss-Möglichkeiten aufweisst. Dabei ist allein diese Fläche deutlich größer als Deutschland. Das bedeutet aber auch, dass alles Wasser, was von den Gebirgszügen ringsherum abfliesst (vor allem das Schmelzwasser im Frühjahr) nicht abfließen kann. Es verdunstet komplett in der Hitze der Wüstengebiete. So sind im Laufe der Jahrtausende und -millionen Salzseen entstanden, da die im Wasser enthaltenen Salze beim Verdunsten zurückbleiben. Riesige Flächen sind so zu weißen Wüsten geworden, mit von Wind und Sonne geformter Oberfläche. Speziell mit schweren Fahrzeugen birgt das Befahren dieser Salzflächen große Risiken, vor allem früh im Jahr. Die Oberfläche trocknet in der sengenden Sonne sehr schnell, das weisse Salz reflektiert dann aber gut die Sonnenstrahlen. So bleibt unter einer dünnen, oberflächlich harten Schicht oft meterdicke, weiche Salzsuppe übrig. Wenn dann das Auto einbricht, dann gute Nacht. Also riskieren wir nicht so viel, genießen aber diesen magischen Ort und die absolute Ruhe.
Im Abendlicht wird die Oberflächenstruktur deutlicher sichtbar.
An manchen Stellen gibt es noch sichtbare Wasserpfützen.
Bei aller Magie des Ortes müssen auch profane weltliche Dinge erledigt werden: Große Wäsche in einer der schönsten Waschküchen der Welt.
Am nächsten Morgen schreckt uns früh das klingelnde Handy (ganz minimaler Emfang hier) aus dem Schlaf. Es kommt allerdings kein Gespräch zustande, das Netz ist zu schlecht. Kurz darauf eine SMS von einem iranischen Handy. Unsere Freunde Andrea und Achim - mit denen wir die Reise zusammen unternehmen, doch zur Zeit sind wir getrennt unterwegs - sind gestern abend mit Ihrem LKW auf dem Weg zu einem anderen Salzsee eingebrochen. Glücklicherweise noch nicht auf dem Salz, sondern auf der Piste dorthin. Auch hier, das oben beschriebene Problem: Die Piste sah oberflächlich gut und trocken aus, aber an manchen Stellen war der Boden unter der Oberfläche noch nass und matschig. Und so ist ihr Fahrzeug auf einer Seite eingebrochen und drohte dadurch sogar umzukippen. Und wir rund 700 Fahrkilometer entfernt. Luftlinie zwar nur etwa 250km, aber dazwischen eine undurchdringliche Wüste ohne jegliche Pisten. Wir entscheiden uns, zunächst zurück nach Damghan zu fahren, um dort Telefonnetz und Internet zur Verfügung zu haben.
Auf der Fahrt zurück nach Damghan klingelt wieder das Handy. Diesmal ist es unser neuer Freund Reza, der sich erkundigen wollte, ob bei uns alles klar ist. Als ich die Situation schildere kommt sofort: "Ich warte am ersten Kreisverkehr in Damghan auf Euch." Er ist zur Stelle und wir alle freuen uns über das schnelle Wiedersehen. Ich kann dann auch Achim über das Satellitten-Telefon erreichen und er schildert die Lage. Sie haben Hilfe von Persern, die Bergung wird jedoch mindestens einen Tag dauern. Wir verabreden, dass wir in ihre Richtung fahren und uns unterwegs nochmal kurzschließen, um zu erfahren, wie weit die Bergung ist. Es erfolgt ein abermaliger Abschied von Reza, der uns unbedingt noch zu sich nach Hause einladen will. Aber die Situation ermöglicht das leider nicht. Er betont, dass er hofft, dass wir irgendwann nach Damghan zurückkehren werden. Sein Haus steht immer offen für uns, wir hätten nun eine weitere Heimat in Damghan, hier am Rande der Wüste...
Wir machen uns wieder auf den Weg durch die Wüste und passieren nun schon zum dritten Mal innerhalb weniger Stunden mit unserem doch auffälligen Fahrzeug den fest installierten Checkpoint der Polizei. Aber trotz unserer Bedenken gibt es kein Problem mit den Beamten. Nach wenigen Kilometern weicht auch der letzte Rest Bewuchs und wir tauchen ein in eine kahle, leere Wüstenlandschaft. Die Dasht-e-Kavier ist eine Salz- und Geröllwüste, keine Sandwüste wie wir uns alle wohl die Wüste vorstellen. Am Anfang weisst die Landschaft noch ein wenig Struktur auf, zumindest kleine Hügel, doch diese verschwinden dann auch.
So sehen wir rechts und links bis zum Horizont meist nur flaches, leeres Land. Wie schlimm muss es einst gewesen sein, nicht mit LKW und GPS, sondern zu Fuß mit Kamelen durch diese unwirtlichen Weiten gezogen zu sein. Tagelang ohne auch nur ein Fixpunkt für das Auge in dieser flachen Wüste. Vielleicht kann dieses Foto das einigermaßen verdeutlichen.
Näher zum Südrand hin, bekommt die Landschaft dann wieder Struktur. Erste Hügelketten tauchen auf, teilweise recht farbig und schön anzusehen. Es gibt auch ein paar Sanddünen. Nichts, was mit der Sahara mithalten könnte, aber immerhin.
Und dann passiert es wieder einmal, wie eigentlich mehrmals täglich. In einer kleinen Wüstenstadt machen wir kurze Mittagspause. Nach kurzer Zeit stehen ein paar Einheimische bei uns, fragen, ob sie ein Foto mit uns machen dürfen und laden uns zum Lunch ein.
Mitterweile haben wir erfahren, dass unsere Freunde nach einer mehr als einen Tag langen Bergeaktion wieder auf festem Boden stehen. So fahren wir weiter nach Isfahan, aber diese schöne Stadt ist einen eigenen Bericht wert...