Auf Fernreisen drohen viele Gefahren: giftige Tiere, wütende Gotteskrieger oder schlimme Naturgewalten, um nur einige zu nennen. Viel zu selten gewarnt wird jedoch vor heimtückischen Nüssen. Eine solch hinterhältige Kreatur hat einen meiner Backenzähne attackiert und diesen entzwei gebrochen. Sauerei. Zunächst habe ich in Selbstbehandlung einige Reste entfernt, mich dann aber doch nach vielen guten Ratschlägen zum Aufsuchen eines Spezialisten entschlossen.
Also zunächst mal am nächsten Morgen frohen Mutes losgezogen, um einen Zahnarzt zu finden. Meine erste Nachfrage in einem Sanitätsgeschäft ergab, dass, da heute Donnerstag ist (also quasi unser Samstag), die meisten Ärtze geschlossen haben. Aber der hilfreiche Verkäufer notierte mir den Namen einer Zahnklinik, rund 15 Gehminuten entfernt, am Imam-Hossein-Platz. Also los gestiefelt. Als ich den Platz erreiche, frage ich nochmal einen Passanten, das Lesen der persischen Schrift ist doch zu mühselig. Er zeigt auf eine Ecke, dort soll ich links abbiegen, dort wäre das. Also hin und dort beginnt schon wieder eine wundervolle Geschichte...
Als ich um die Ecke biege, ist das eine kleine Moschee, die auffällig mit Kunstblumen-Gebinden geschmückt ist. Zu dem Zeitpunkt kann ich das noch nicht einordnen. Vor der Tür stehen 4 Männer, ich steuere auf den Jüngsten zu, in der Hoffnung das dieser Englisch spricht. Leider nicht, aber der nebenan stehende spricht mich auf Englisch an und fragt nach meinem Problem. Ich schildere dieses. Dann fragt er "Where do you come from." "Germany". "Und wo in Deutschland?" Verwundert antworte ich "Saarbrücken". "Ich wohne seit über 30 Jahren in Kaiserslautern", seine Antwort. Wir können es beide nicht fassen. Aber es wird noch unglaublicher: Was er dort macht, will ich wissen. Er arbeitet als Schwimmmeister. Ich erzähle, dass mein Vater über 30 Jahre Schwimmeister in Friedrichsthal war. Erzähle, dass ich Zeit meines Lebens geschwommen und Wasserball gespielt habe. Auch er hat in Kaiserslautern einige Jahre Wasserball gespielt. Wir haben gemeinsame Bekannte in der heutigen Mannschaft des KSK Kaiserslautern. Es ist kaum zu glauben. Der Zufall spielt weiter munter mit. Der jüngere Mann neben ihm, den ich zuerst angesprochen habe, ist Kieferchirurg. Heute nachmittag werden sie mich an unserem Parkplatz abholen und in seine Praxis bringen. Alles kein Problem. Es ginge aber erst heute nachmittag, denn die Beerdigungsfeier, in die ich geplatzt bin, dauert noch eine Weile. Die war auch der Grund für den oben erwähnten Blumenschmuck...
Was ein Hammer. 7000km von zu Hause entfernt laufe ich durch eine 4-Millionen-Stadt, frage nach dem Weg und treffe jemanden, der zu Hause um die Ecke wohnt, Wasserball gespielt hat, gemeinsame Bekannte mit mir hat und dessen Neffe Kieferchirurg ist. Auf dem Rückweg zum Auto denke ich lange über diese Zufälle nach. Vielleicht gibt es da doch etwas im Hintergrund, das die einen Schicksal, andere Heiland, Buddha, Manitu, Jahwe oder Allah nennen. Evtl. muss ich meinen Atheismus doch mal überdenken...
Am frühen Abend holen Mamad, der Kaiserslauterner Schwimmmeister, und sein Bruder uns ab und bringen uns zum Neffen in die Praxis. Dort ist alles vorbereitet. Die Entfernung der Überreste des Zahns ist aufwendiger als gehofft. Zwei Wurzeln waren schräg unter die Nachbarzähne gewachsen und saßen auch noch fest im Kiefer. Sonst war vom Zahn nicht mehr viel übrig. Routiniert läuft die Entfernung ab, es muss allerdings auch ein Stück des Kieferknochens entfernt werden. Dann wird zugenäht und Medikamente verschrieben. Mamad besorgt die Medikamente und beide bringen mich noch zu einer Klinik, in der mir noch ein Schmerzmittel gespritzt wird. Dann setzten sie uns wieder bei unserem Auto ab. Einzig bei der Bezahlung der Behandlung und der Medikamente gibt es Unstimmigkeiten. Beide Brüder sind der Meinung, dass sie das Übernehmen wollen, weil wir ja Gäste in ihrem Land sind. Das wollen wir natürlich nicht und bestehen auf Selbstzahlung. Der Neffe empfiehlt uns noch zwei Tage in Isfahan zu bleiben, falls Probleme auftauchen, damit er dann danach schauen kann. Die Fäden müssen in einer Woche raus, aber das traut er mir doch selbst zu.