Wieder einmal liegt Wüste vor uns. Zwischen uns und den Städten Buchara und Samarkand liegen jeweils mehrere hundert Kilometer heiße, trockene Wüste. Die Temperaturen werden tagsüber wieder über die 40°-Marke klettern und nachts deutlich über 30° bleiben. Kein besonders Vergnügen in einem Wohnmobil, dass sich immer mehr aufheizt. Der Monat Juni ist schon zu heiß, besser wäre man hier 4 Wochen vorher gefahren, aber eingebettet in eine große Reise, lassen sich nicht alle Wünsche erfüllen. Also leben wir damit, dass es mal wieder unterwegs in unserem Kühlschrank wärmer sein wird, als zur gleichen Zeit zu Hause im beschaulichen Saarland auf der Straße. Die beiden Städte Buchara und Samarkand sollten uns aber für die Mühe entschädigen. So war der Plan. Und das haben sie auch.
Aus der Groß-Oase Choresm machen wir uns also auf den Weg nach Buchara, neben Samarkand wohl die bekannteste Stadt an der alten Seidenstraße. Inmitten von Wüstensand liegt die Oase Buchara mit der gleichnamigen Stadt. Die Hauptwasserader ist der Fluß Serafshan, dessen Wasser vollständig zum Bewässern der Oase dient und der dann - ohne sein eigentliches Ziel, den Fluß Amudajar zu erreichen - im Wüstensand versickert.
Um dort hin zu gelangen fahren wir in der Oase Choresm östlich und überqueren irgendwann die "Lebensader" Mittelasiens, den Fluß Amudajar über eine recht abenteuerliche Brücke, die einspurig für beide Fahrrichtungen und die Eisenbahn genutzt wird. Die Gleise sind in die Fahrbahn eingelassen und wohl dem, der eine andere Spurbreite als die Eisenbahn hat. Sehr gerne hätte ich Bildmaterial von dieser Brücke gemacht, aber Fotografieren und Filmen dieses strategisch wichtigen Staatseigentums ist strengstens verboten und wird mit einer von uns bisher nirgends gesichteten Akribie überwacht: Auf der ganzen Brücke, die immerhin mehrere hundert Meter lang ist, steht im Abstand von 50m ein Soldat und überwacht die vorüberfahrenden Autos. Na denn. Das wäre ein Foto wert gewesen, die Brücke weniger...
Im Anschluß an die Brücke folgt ein Stück Straße (etwa 20km), das unseren bisherigen Rekord hält, was Rumpelpisten angeht. Am nächsten Morgen - für die Nacht hatten wir uns abseits der "Straße" hinter eine Düne versteckt, immerhin waren wir ja im strategisch wichtigen Brückenschutzgebiet - brauchen wir für die letzten 7km ziemlich genau eine Stunde. Dann geht es an einer vorzeitlichen Tankstelle auf eine nagelneue 4 spurige Straße, die uns etwa 100km erhalten bleibt, dann folgt eine rund 100km lange Baustelle! Irgendwann kommen wir über eine rumpelige Landstraße - nach erneuter Übernachtung - in Buchara an.
Buchara
Zunächst einmal ein kurzer Abriß über die bewegte Geschichte dieses Flecken Erde. Die Ursprünge der Stadt Buchara liegen über 2000 Jahre zurück. Im 9. und 10. Jahrhundert erlebte es nach der arabischen Eroberung seine erste Blüte und war Hauptstadt und Mittelpunkt des Samanidenreiches. Nach dem Niedergang der Samaniden bedienten sich mehrere Nomadenstämme und 1220 nahm Dschingis Khan mit seinen Mongolen die Stadt ein und gab sie seinen Männern zur Plünderung frei. Als Timur, im Westen häufig Tamerlan genannt, in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Samarkand sein Reich formte, verleibte er Buchara gleich mit ein. Später wurde man dann auch mal von den Persern unterworfen, bevor Mitte des 18. Jahrhunderts das Emirat Buchara entstand, welches bis 1920 Bestand hatte. Dann wurde Buchara von der roten Armee besetzt und die sowjetische Volksrepublik Buchara ausgerufen.
In der sehenswerten Altstadt haben sich Gebäude aus den letzten 1000 Jahren erhalten. Der Hauptplatz - der Registan - wird beherrscht von der Zitadelle (dem "Ark"), einer Festungsanlage, die im Grundriß des Sternbild des großen Bären gebaut ist. Das Haupttor (und heute das einzige) der Zitadelle, die den Palast des Emirs enthält, drohnt über dem Platz. Sonst ist rund herum nichts mehr erhalten, früher war der ganze Platz eingefasst von Palästen, Moscheen und Medresen. Hier spielte sich das Leben ab. Hier wurde Markt gehalten, kaum ein Tag ohne öffentliche Auspeitschungen und Hinrichtungen. An Feiertagen zeigten Gaukler, Musiker, Ringkämpfer und Seiltänzer ihr Können. Und von der Loge des Festungstores wurden auch die Befehle und Erlasse des Emirs, "der Sonne Bucharas", verlesen. Heute kann man sich das so nicht mehr vorstellen. Der Platz wirkt leer, die unschönen sowjetischen Plastersteine werden gerade erneuert, wobei bei der Neuverlegung offensichtlich die "gleiche Sorgfalt" angewandt wird, wie zu Stalins Zeiten. Ich weiß nicht, ob man absichtlich - bei großer Anstregung - solch krumme Fugen hin bekäme. Schade.
Abends pulsiert das Leben in der Altstadt rund um den Platz "Labiz Hauz". Dieser Platz um das Wasserbecken ("Hauz") war schon immer das Zentrum des Lebens der Stadt. Aufgrund der Enge der Bebauung ließ sich nachträglich kein Wassersystem bauen. Dieses Wasserbecken, mit einem Zufluß, war das Wasserreservoir für fast die ganze Bevölkerung. Professionelle Wasserträger trugen das kostbare Gut durch die ganze Stadt. Das Becken war Lebensquell Bucharas. Aber leider auch Quell von Krankheiten. Insbesondere ein parasitärer Wurm, der bis zu einem Meter lang werden konnte, verbreitete sich immer wieder. Dieser Wurm fühlte sich in der Muskulatur wohl. Ein Ende ragte meist aus der Haut heraus. So kamen die Barbiere zu einer neuen Aufgabe: Von Zeit zu Zeit ging man dorthin und der Barbier zog die Würmer und wickelte sie auf eine Spule. Erst zu Sowjetzeiten konnte die Übertragung der Würmer durch Trockenlegung des Beckens und anderer Wasserversorgung eingedämmt werden.
Hatte ich schon erwähnt, dass Buchara inmitten der Wüste liegt und es dem entsprechend heiß ist? Ist es. Tagsüber waren es rund 44° und da wir unser Auto abgeschlossen auf einem Parkplatz haben stehenlassen, heizte sich dieses natürlich - trotz guter Isolierung - auf. Im Innern schnurrten auch noch Kühlschrank und Kühlbox (als Gefriertruhe) ununterbrochen und erzeugten zusätzlich Wärme. Lecker. Da wir nun schon längere Zeit diese hohen Temperaturen genossen, dürstete uns nach wenigstens einer einigermaßen "kühlen" Nacht. Für die Weiterfahrt nach Samarkand wählten wir nicht die direkte Verbindung, sondern nahmen einen kleinen Umweg in Kauf, um durch das südlich von Samarkand gelegene Gebirge zu fahren, dessen Pass sich auf rund 1600m Höhe windet. Der Abend und die Nacht dort oben waren eine Wohltat, endlich fiel das Thermometer im Wohnmobil nachts mal wieder unter 30°. Nicht ganz einfach war es, dort oben einen Stellplatz zu finden. Meist ist es im oberen Bereich von Passstraßen recht steil und wenig Raum abseits der Straße. Natürlich wussten wir auch nicht, wie die Polizei an den Checkpoints reagieren würden, vor allem, als wir schon recht weit oben am letzten Ort das Schild mit der Durchfahrtbegrenzung auf 5 to sahen. Aber die Beamten am Checkpoint sahen das gelassen. Freundlich winkten sie uns durch, wieder einmal wurden wir nicht kontrolliert. Aber einen Stellplatz hatten wir noch immer nicht. Oberhalb einer Serpentine sah ich dann eine Fahrspur nach links laufen. Also schnell da rein. Die Fahrspur machte gleich eine Kurve und wir standen inmitten von Bienenstöcken. Der dazugehörige Imker lag schon in seiner nur mit einer Zeltplane abgedeckten Schlafstatt und wunderte sich natürlich über den Besuch. Unter dem Einsatz von Händen und Füßen fragte ich, ob wir hier übernachten dürften. Und das hier allgegenwärtige "Salomaleikum" mit der Hand vor der Brust, war die erhoffte Antwort. So verbrachten wir einen schönen Abend beim Imker und seinen Bienen und schliefen endlich mal wieder gut und lange.
Samarkand
Von der Passhöhe war es nur noch ein Katzensprung bis nach Samarkand. Diese über 2700 Jahre alte Stadt an der alten Seidenstraße hat schon immer Reisende und Händler in Ihren Bann gezogen. Gedanklich sollte sie auch unser Reisehöhepunkt an der Seidenstraße sein.
Auch Samarkand hat natürlich eine abwechslungsreiche Geschichte, deren Fülle hier den Rahmen sprengen würde. Nur ein paar Eckdaten. Schon Alexander der Große nahm die Stadt im Jahre 329 ein. Danach stand sie immer wieder unter der Herrschaft verschiedener Eroberer. Natürlich kam auch Marco Polo hier vorbei. Auch Dschingis Khan mit seinen Mongolen zog hier durch, zerstörte vieles und unterwarf die Bevölkerung. Ende des 14. Jahrhunderts revoltierte das Volk unter Timur gegen die Mongolen und Timur (Tamerlan) gründete eine neue Dynastie mit Samarkand als seiner Hauptstadt. Mit ihm begann eine neue Epoche, die von Kunst, Handwerk und Wissenschaft geprägt war. Praktisch alle erhaltenen historischen Bauwerke entstanden in dieser Zeit. Unter Timur und seinem Enkel und Nachfolger Ulug'bek erlebte Samarkand eine nie gekannte Blüte. Ende des 15. Jahrhundert regierte der letzte der Timariden, danach ging es mit Samarkand bergab. Im 18. Jahrhundert verödete es regelrecht und wurde dem russischen Reich angegliedert (im Gegensatz zu Buchara, das sich noch länger tapfer wehrte).
Heute ist Samarkand eine recht moderne Stadt mit reichem historischen Erbe. Kein geschlossenes Ensemble wie Buchara oder gar Chiwa, die Sehenswürdigkeiten wollen etwas mehr "erlaufen" werden.
Ein echtes Kleinod hat sich mit der Nekropole Shohizinda erhalten. Eine Grabanlage, die entlang eines Korridors 16 Gebäude, Moscheen und Mausoleen beherbergt, die im Laufe mehrerer Jahrhunderte errichtet wurden. Alle sind gut erhalten und das Ensemble strahlt echte Erhabenheit aus.
Kommen wir noch zum großen Meister selbst. Der Herrscher Timur (Tamerlan), der für die Blütezeit Samarkands veranwortlich zeichnete, hat diese nicht unbedingt mit freundlichen Mitteln erreicht. Timur war ein blutrünstiger Herrscher und Feldherr. Tausende Feinde ließ er hinrichten, Künstler und Handwerker wurden verschleppt, um sein Samarkand zu bauen. Auf einem Feldzug nach Indien ließ er 100.000 Feinde hinrichten, in Bagdad ließ er eine Pyramide aus 90.000 Menschenschädeln errichten. Also nicht unbedingt einer, den man sich als Nachbarn wünscht (Achtung: Aktuelle Anspielung). Sein Nachfolger und Enkel Ulug'bek war da etwas umgänglicher und hatte sich selbst der Wissenschaft verschrieben, insbesondere der Astronomie.
Noch etwas für Menschen, die an Übersinnliches glauben: Auf dem Grab Timurs lastete von jeher ein Fluch, der auch als Grabinschrift aufgezeichnet war: Wenn einst das Grab geöffnet werden sollte, wird großes Unheil geschehen. 1941 öffneten sowjetische Wissenschaftler das Grab. Kurz danach begann der Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion. Und nachdem die Gebeine Timurs 1942 wieder in islamischer Tradition bestattet wurden, wendete sich mit der Schlacht von Stalingrad das Kriegsglück. Wer also für sowas empfänglich ist, bitte.
Etwas außerhalb auf einem Hügel steht das Observatorium des Ulug'bek. Dieser Nachfolger Timurs war wissenschaftlich gebildet und vor allem der Astronomie verschrieben. Er forschte in diesem Bereich und hielt seine Erkenntnisse in einem Sternenkatalog fest, der über Jahrhunderte als eine der wichtigsten astronomischen Arbeiten anerkannt wurde. Beispielsweise gelang ihm die Genauigkeit des Erdenjahrs mit einer Präzision zu bestimmen, die im Abendland erst Jahrhunderte später erreicht wurde.
Ein Punkt sei erwähnt, der uns in Samarkand sehr gestört hat: Die Eintrittspreise zu den Sehenswürdigkeiten. Als Tourist muss man den 14-fachen Eintrittspreis bezahlen, wie die Einheimischen. Das es höhere Eintrittspreise für Touristen, als für Einheimische gibt, begleitet uns schon seit dem Iran. Aber diese Unterschiede waren bisher einzigartig. Zwar kann man in der Regel einen Rabatt heraus handeln (sogar mit der Polzei, die teilweise kassiert), aber das System finden wir fragwürdig. Pro Person wurden praktisch überall 5 US-$ verlangt, zum Fotografieren kommen häufig noch 3 US-$ hinzu. Das mag dem typischen organisierten 3-Wochen-Seidenstraßen-Tourist, der im besten Haus am Platze übernachtet, nicht auffallen, aber für Langzeitreisende mit überschaubarem Budget sieht das anders aus. Wir haben dann auch mehrere Sehenswürdigkeiten nur von aussen besichtigt. Nicht, weil wir uns die zusätzlichen 40$ bis 50$ gar nicht hätten leisten können, sondern aus Prinzip. Wir haben an der Kasse jeweils unseren Unmut darüber auch kund getan.
Noch ein Wort zu den Basaren in Mittelasien. Man merkt hier deutlich den Einfluß der Sowjetzeit. Die Basare bestehen seit Turkmenistan in der Regel aus gemauerten kleinen Geschäften, die in langen Gängen angeordnet sind. Irgendwie fehlt dabei das orientalische Feeling, es ist zu geordnet. Hier weinen wir dem Iran oder Nordafrika eine Träne nach...
Wir sind nun fast durch Usbekistan durch, ein letzter Abstecher ins Fergana-Tal steht an, von dort aus werden wir nach Tadschikistan weiterreisen. Die Menschen in Usbekistan haben wir alle als freundlich erlebt. Es wurde uns wieder häufiger zugewunken. Heute hat uns jemand bei einer kurzen Rast am Straßenrand Obst geschenkt. Auch die Behörden waren bisher freundlich und korrekt, bzw. haben sich erst gar nicht für uns interessiert. An allen Straßensperren wurden wir durchgewunken. Wenn das die letzten Tage so bleibt und die Ausreise problemlos klappt, war Usbekistan angenehm zu durchreisen. Und für alle Fleischesser: Hier in Usbekistan beginnt die "Fleischstraße". In den ganzen -stan-Ländern wird viel Fleisch gegessen, meist in Form von Schaschlik. Überall an der Straße bruzzeln die Holzkohlegrills. Hier bin ich also nicht gänzlich falsch... 😉
Mit Samarkand endet nun auch quasi der kulturhistorische Teil unserer Reise. Ab nun steht Natur und Landschaften im Vordergrund und natürlich weiterhin die Menschen am Rande des Weges. Es warten das Parmirgebirge, der Hindukusch und die Bergwelt Kirgisistans auf uns. Über 4500m hohe Pässe muss unser tapferes "Schneggsche" überwinden. Und danach warten die Weiten von Kasachstan und Russland, schließlich das diesjährige Fahrziel, die Mongolei. Der nun kommende Teil wird einen anderen Charakter aufweisen, als der erste Teil. Wir freuen uns darauf.
Supertoller Reisebericht, wir fahren im Juni nach Usbekistan und folgen euren Spuren.
Weiter so!
Herzliche Grüße
Rena
Freut uns, dass der Bericht gefällt. Gute Reise und viele Eindrücke wünschen Heike und Markus