Tadschikistan ist ein Land der Berge. Rund 93% des Territoriums ist Bergland, mehr als die Hälfte des Landes liegt höher als 3000m. Der höchste Berg des Landes, der "Pic Somoni", ist 7495m hoch. Lustigerweise hieß er früher "Pic Kommunizm". Im Osten des Landes liegt der "Pamirknoten". Von diesem Gebirge aus entfalten sich die Hochgebirge Zentralasiens: Himalaya, Karakorum und Hindukusch, außerdem Kunlun- und Tien-Shan-Gebirge. Also war schon gleich klar, dass sich unser etwas übergewichtiges "Schneggsche" hier mächtig ins Zeug legen muss. Wir sind im Norden bei Khujand eingereist und auch dieser nördliche Teil Tadschikistans ist durch mehrere hohe Bergketten vom Rest des Landes und der Hauptstadt abgetrennt. Meist war der Norden rund 6 Monate im Jahr vom Rest des Landes abgeschnitten, da zwei mehr als 3000m hohe Pässe überquert werden mussten, die nur im Sommerhalbjahr schnee- und eisfrei waren. Im Jahr 2006 wurde dann ein erster Tunnel eingeweiht und 2012 ein zweiter. Nun ist der Nordteil praktisch ganzjährig mit Fahrzeugen erreichbar, wenn auch beide Tunnel mehr als 2000m hoch liegen und somit nach wie vor steile Anstiege zu bewältigen sind. Die Straße ist hart an den Berg gebaut und zieht sich durch steile Täler. Auf der einen Seite ragen hunderte Meter steiler Fels fast senkrecht aufwärts, auf der anderen Seite geht es oft genau so steil mehrere hundert Meter hinuter. Eine schöne Strecke, wenn man solche Wege liebt, dem ein oder anderen mag manchmal etwas mulmig sein.
Eigentlich war unser Plan, beide Tunnel zu "überfahren", sprich die beiden alten Pässe zu nutzen. Erstens, weil Heike Probleme mit Tunneldurchfahrten hat und zweitens, weil wir natürlich auch die Aussicht in den Bergen genießen wollten. Leider war gleich bereits der erste Pass (beim neuen Tunnel) gesperrt und wir mussten den Tunnel nehmen. Dieser ist eigentlich okay, rund 5km lang, schwach beleuchtet und belüftet, aber da Heike unvorbereitet war, machte ihr dieser Tunnel doch sehr zu schaffen. Nach der Passage suchten wir uns in einem Seitental einen Schlafplatz und fanden ihn, an einer alten Brücke. Mein Vorschlag, über diese drüber zu fahren, wurde von der besten Ehefrau von allen negativ beschieden. Es gab auch nicht wirklich keinen Grund dazu, schließlich war direkt daneben eine neue Brücke gebaut...
Bergsee Iskanderkul
Unser nächstes Ziel war der Bergsee Iskanderkul. Im Reiseführer als sehr schön beschrieben, hat er uns doch eher enttäuscht. Die Fahrt hin war eindeutig schöner als der See selbst. Der See liegt durchaus malerisch zwischen hohen Bergen in mehr als 2200m Höhe, aber für Fahrzeug-Reisende, die einen Schlafplatz suchen, ist er nicht geeignet. Es gibt keinerlei Stellmöglichkeit am Wasser und auch nicht in der Nähe des Wassers. Auf der Seite, wo die Piste ankommt, ist ein altes sozialistisches Ferienlager, wo man auch Häuschen mieten kann. Von dort aus läuft eine schmale Piste um den halben See, allerdings immer etwa 20 bis 30m höher als der Wasserspiegel. Keinerlei Möglichkeit eines Stellplatzes. Die Piste geht bis zum anderen Ende des Sees, wo sich eine der Sommerresidenzen des hiesigen Präsidenten befindet. Mit Hubschrauberlandeplatz. Der fährt nämlich nicht über die abartigen Straßen und Pisten seines Landes! Hinter der Villa, verlässt die Piste den See in ein Seitental. Dort fanden wir einen Platz, allerdings ohne den See zu sehen. Wir würden hier nicht mehr hinfahren. Dazu kommt, das pro Person und Tag rund 17 Somoni "Kurtaxe" anfallen. Selten so gelacht. Aber wir sind hier im Lande der Wegelagerer und Raubritter.
Anzob-Pass und -Tunnel
Weiter ging es in Richtung des zweiten Tunnel, bzw. Pass, die es zu queren gab. Der über 3300m hohe Anzobpass, wurde ebenfalls durch einen Tunnel "untergraben". Im Jahre 2006 wurde dieser nach 18 Jahren Bauzeit eröffnet. Zuerst haben die Tadschiken gebaut, es aber wohl nicht hinbekommen. Dann musste ein iranisches Firmenkonsortium ran. Aber irgendwie waren die auch nicht besser. Gebaut wurde ein über 5km langer Tunnel ohne Beleuchtung und Belüftung. Überall gab es Wassereinbrüche und schon nach wenigen Jahren war die Teerdecke dermassen beschädigt, dass die Löcher teilweise einen halben Meter tief waren und meist voll Wasser standen. Freundlicherweise ragten auch immer mal wieder Armiereisen aus dem erodierten Straßenbelag. Platte Reifen und Achsbrüche gab es häufig. Als wir diese Beschreibung in unserem Reiseführer lasen, hatten wir erst recht keine Lust mehr auf diese Tunneldurchfahrt. Also erst mal wieder den Pass probieren. Dazu ging es vorbei an der Zufahrt zum Tunnel. Erstmal rund 20km durch ein wirklich enges Tal, das Yaghnob-Tal. Die Strecke ist durchaus anspruchsvoll, wird diese doch seit es den Tunnel gibt, nicht mehr unterhalten. Dass in diesem Tal noch hunderte oder tausende Menschen leben, interessiert hier keinen. Schon Mitte des letzten Jahrhunderts haben die Sowjets versucht, dieses Tal zu räumen und die Menschen zwangsumgesiedelt. Doch in der neuen Heimat gab es nicht genügend zu essen und zu wenige Unterkünfte. Hunderte Yaghnobi kamen ums Leben. Einige gingen heimlich zurück in das Tal und bezogen die alten, aufgegeben Häuser. Letztlich ließ man sie gewähren, gewährte ihnen aber keine Infrastruktur (Strom, Straßen). Den Weg durchs Tal bauten die Bewohner selbst. Nur die Strecke bis zum Ort Anzob, an dem der alte Pass das Tal verließ, wurde vom Staat gebaut und unterhalten. Doch das wird nun, nach dem der Tunnel gebaut ist, eben auch nicht mehr gemacht.
Der Ort Anzob mit seinen alten Steinhäusern ist schön anzusehen. Die Bewohner haben es hier nicht einfach. Anbauflächen sind rar. Als der Pass noch in Betrieb war, konnte man am Durchgangsverkehr noch etwas verdienen. Das geht heute nicht mehr. Eine Einnahmequelle ist getrockneter Tierdung, der in den waldarmen Ländern Zentralasiens häufg als Heizmaterial für den Winter und als Kochfeuer verwendet wird.
Nach einer Übernachtung im Yaghnob-Tal versuchten wir dann am nächsten Morgen den Passanstieg. Alle Bewohner am Wegesrand machten uns mit Handzeichen klar, dass der Pass nicht passierbar sei. Durch eine Schnee-/Schlammlawine wäre ein größeres Stück verschüttet. Wir versuchten es trotzdem, gaben aber nach wenigen Kilometern auf. Die Piste war so stark ausgewaschen, dass es für die großen, wankanfälligen LKWs einfach Unfug war, zumal wir quasi wussten, dass es oben nicht weitergeht. Und dafür noch 1000 weitere Höhenmeter über diese Piste zu schwanken, wäre einfach Unsinn. Also drehten wir um, fuhren die 20km zurück zum Tunnel-Abzweig und machten uns auf, dort die vielen Serpentinen zu erklimmen. Heike hatte sich auf den Tunnel vorbereitet und wir hatten ja auch gelesen, dass dieser im letzten Jahr renoviert worden wäre. Es gäbe nun Licht und Ventilation. Doch zunächst ging es 1000 Höhenmeter steil bergauf.
Die Tunneldurchfahrt fordert den Fahrer eines breiteren Fahrzeugs dann doch ziemlich. In der Tat war wohl renoviert worden, allerdings gab es nach wie vor keine Beleuchtung und keine erkennbare Ventilation. Aber die Asphaltdecke war neu, Löcher oder Armiereisen sahen wir keine mehr. Allerdings hat man das Wasserproblem auf eher "spezielle" Weise gelöst. Rechts und links hat man in die Fahrbahn etwa 50cm breite und fast einen Meter tiefe Rinnen gefräst, in denen das Wasser abläuft. Diese Rinnen sind allerdings weder abgedeckt, noch zur Fahrbahn abgegrenzt. Wenn man da mit einem Rad hineinrutscht, wird das unweigerlich die Achse kosten. Freundlicherweise gibt es auch immer mal wieder etwas breiter gefräste Stellen, warum auch immer. Bei Gegenverkehr, vor allem, wenn einem einer der vielen LKWs entgegenkommt, muss man da schon höllisch aufpassen, zumal nach wie vor keine Beleuchtung existiert. Diesmal war nicht nur Heike froh, als wir den Tunnel hinter uns hatten...
Duschanbe, die Hauptstadt
Vom Anzobtunnel aus ist es dann nicht mehr weit, bis in die Hauptstadt Duschanbe. Hier hatten wir einiges zu erledigen: Geld besorgen, Einkaufen, Tanken. Au0erdem hatten wir gehört, dass wir für einige Regionen extra Genehmigungen brauchten. Also stellten wir die Autos zentrumsnah und machten uns am nächsten Morgen auf. Zunächst suchten wir das Büro einer Behörde OVIR, die für Genehmigungen zuständig sind. Allerdings waren wir dort nicht erfolgreich. Was wir auf der Karte auch zeigten, der Mann wusste nix davon oder wollte nicht. Verständigung war fast nicht möglich, da kein Mensch ein Wort englisch sprach. Wir suchten dann noch das Büro eines bekannten Reiseanbieters für die Pamirregion, der auch Genehmigungen besorgen kann. Doch ein Büro gab es nicht, die Adresse lag in einem heruntergekommenen Wohnblock und es war keiner da. Also ohne Genehmigungen weiter. Auf dem Rückweg zum Fahrzeug machten wir noch etwas "Sightseeing". Dann machten wir unsere weiteren Besorgungen und waren froh, als wir Duschanbe hinter uns gelassen hatten. Solche Städte sind einfach nichts für uns.
Wegelagerer und Korruption
Harte Worte, aber gerechtfertigt. Beides finden wir hier in Tadschikistan in nicht vertretbarem Maße vor. Schon bei der Einreise hat man uns 120 US-$ für unser Fahrzeug abgeknöpft, davon 100$ "Straßennutzungsgebühr". Auf der Strecke von Khujand im Norden bis nach Duschanbe reiht sich Mauthäuschen an Mauthäuschen. Immer wieder wird man zur Kasse gebeten.
Korruption
Die Polizeipräsenz ist sehr hoch. Bisher die höchste von allen bereisten Staaten. An vielen Punkten muss man sich registrieren, d. h. an der Straße gibt es Checkpoints und die Polizei schreibt die Daten aus dem Reisepass von allen Fahrzeuginsassen in unnütze dicke oder dünne Bücher. Davon gibt es tausende im ganzen Land. Und ich wette, dass niemals jemand mehr in diese Listen schaut. Man kann aber an fast jeder Kontrollstelle beobachten, dass die Einheimischen Bestechungsgelder zahlen. Entweder wird ein Geldschein mit den Pässen gereicht oder er steckt im Innern der Handfläche zwischen den Fingern und es wird dem Polizisten die Hand geschüttelt und dieser zieht ihn gekonnt zwischen den Fingern raus. Oft sitzen in den Fahrzeugen 10 Personen, aber außer dem Fahrer wird niemand aufgeschrieben und der gibt mitunter falsche Daten an. Dies haben wir zigmal so beobachtet.
Ausländer bleiben wohl in der Regel unbehelligt, nur zweimal waren wir bisher betroffen. Einmal an der Strecke aus dem Norden nach Duschanbe. Die Strecke ist tagsüber für schwere Lastwagen gesperrt, weil diese an den steilen Steigungen oft nur mit 10 km/h fahren und somit den Verkehr stark blockieren. Alle Schilder weisen ein Tagfahr-Verbot ab 6to Achslast aus. Ein Polizist hielt uns an und machte deutlich, dass wir bis abends warten mussten. Wir versuchten zu erklären, dass unsere Fahrzeuge weniger als 6to Achslast haben, ich hielt ihm den Fahrzeugschein hin, in dem 4,4to ausgewiesen sind. Das hat ihn alles nicht interessiert. Wir müssten warten oder ihm 10 US-$ geben. Nach kurzer Diskussion und klarer Ansage, dass wir Korruption nicht unterstützen, sind wir in unsere Fahrzeuge eingestiegen und weitergefahren. Wir blieben unbehelligt.
Ein anderes Mal hat ein Polizist an einer der vielen Registrierstellen unser Fahrzeug sehr genau inspiziert. Die Beleuchtung kontrolliert, Blinker, Bremslicht. Das wurde natürlich bei keinem anderen Fahrzeug gemacht. Während der "Inspektion" haben 5 inländische Fahrzeuge die Kontrollstelle passiert. Aber alle hatten halt Scheinchen zwischen den Fingern oder brachten Tüten mit Obst und Gemüse. Als er merkte, dass er bei uns nicht landen konnte, ließ er uns weiterfahren.
Sehr interessante Informationen, ich möchte da auch mal hinfahren in den nächsten wenigen Jahren.