Weiter ging die Fahrt, noch immer durch Hochtäler in Kirgistan. Diese liegen im Bereich von 3000 bis 4000m Meereshöhe und werden im Sommer von Hirten bewirtschaftet. Die ziehen dann mit Sack und Pack und ihrer Jurte in die abgelegenen Regionen und Leben hier mit der Natur. Es geht auch nur mit der Natur. Die Menschen passen sich an, anders geht es hier nicht. Ein Jurtencamp weckt unser Interesse, werden hier doch gerade die Schafe geschoren. Ein kurzer Stopp, natürlich darf ich fotografieren. Schade, dass wir uns nicht mit den Menschen verständigen können. Speziell Russisch-Kenntnisse wären jetzt von Vorteil.
Der See Issyk Kul - das kirgisische Meer
Angekommen sind wir nun am Issyk Kul, dem kirgisischen Meer. Dieser (noch vor dem Titicaca-See) größte Hochgbirgssee der Welt, hat über 6000 Quadratkilometer Fläche und ist an der tiefsten Stelle fast 700m tief. Er zählt somit zu den tiefsten Seen der Erde und verfügt über rund 36x soviel Wasser wie der Bodensee. Damit darf man ihn durchaus "kirgisisches Meer" nennen, zumal in einem Binnenstaat, der keinen Zugang zum "richtigen" Meer hat.
Der Issyk Kul liegt auf rund 1700m Höhe und ist praktisch rundherum umgeben von 4000ern, von denen die meisten schneebedeckt sind. Leider muss ich die enttäuschen, die nun auf Fotos des Sees vor dem Bergpanorama warten: Im Sommer ist hier die Luft in der Regel nicht klar genug. Die Berge auf der gegenüberliegenden Seite sind oft nur zu erahnen und verschmelzen mit den Wolken, die in ihnen festhängen. Wir haben uns aber ein paar schöne Tage am See und in den umliegenden Tälern gemacht. Mal hatten wir heiße Sonne, mal Weltuntergang-Regen. So ist das halt.
Die Märchenfelsen von Torsor
Nur 2 Kilometer vom Seeufer entfernt, liegt eine Erosionsfläche in der Lehm und Sandstein bunte bizarre Formen gebildet haben. Nach Zahlung einer kleinen Eintrittsgebühr von 50 kirg. Som pro Person (2016, entspricht etwa 68 Cent) kann das Gebiet abgelaufen werden. Wenn der Sonnenstand passt, eine durchaus schöne Sache. Mit etwas Phantasie lassen sich durchaus noch ein paar Figuren und Formen erkennen, auch wenn die Erosion natürlich nach und nach alles verändert.
Bishkek, die Hauptstadt
Vielleicht hat man es schon gemerkt oder gehört, aber die großen Städte sind nichts für uns. Natürlich waren die alten Städte der Seidenstraße faszinierend und schön, aber speziell die "Funktionsstädte" des ehemaligen Sowjetreiches begeistern uns wenig bis gar nicht. Trotzdem muss man hin und wieder welche aufsuchen, in der Regel um Dinge zu besorgen, die es auf dem Land nicht gibt. So war es auch diesmal. Wir brauchten ein paar wichtige Sachen fürs Auto und ein kleiner Werkstattbesuch stand auch an.
Bishkek liegt noch dazu praktisch auf dem Weg nach Kasachstan, nur rund 30 km von der Grenze entfernt, also auch ideal um die Vorräte aufzufüllen, da Kasachstan eher ein Transitland wird. Dort dürfen wir max. 15 Tage bleiben, müssen allerdings auch über 1800km zurücklegen, bis wir die russische Grenze erreichen. Kasachstan ist unvorstellbar groß, eines der flächenmäßig größten Länder der Erde.
Also auf nach Bishkek und dort zuerst zu einem der Autobasare. In Zentralasien ist eigentlich noch immer alles in Basaren organisiert. Natürlich nicht mehr im "Tausend-und-einer-Nacht-Stil", heute sind das eher Containerstädte. Aber gleichartige Dinge gibt es immer zusammen. Es gibt den "normalen" Basar (Lebensmittel, Kleidung), den Autobasar, den Baustoffbasar, usw. Also immer eine Ansammlung von dutzenden, hunderten oder gar tausenden ziemlich gleichartiger "Geschäfte" (in Kirgistan meist LKW-Container).
Es erschließt sich mir nicht, wer das alles jemals kaufen soll und warum es hunderte von Ständen mit der gleichen Ware gibt. Aber irgendwie können die alle davon leben. Und die sprichwörtliche Gelassenheit der Händler fasziniert immer wieder: Manche spielen zusammen Schach, schlafen, trinken Tee. Wir könnten stundenlang herumstreifen.
Aber wir hatten ja eine ganze Liste von Dingen, die wir besorgen wollten. Also gleich in den ersten Container rein und los geht es. Der Besitzer telefoniert gleich nach seinem Sohn, der ein paar Worte englisch kann. Er wird uns helfen, die Dinge zu finden, die wir bei seinem Vater nicht bekommen können. So läuft er stundenlang mit uns über den Basar, fragt hier, sucht dort und letztlich finden wir fast alles, was wir suchen. Nur bei seinem Vater haben wir am Ende nichts gekauft, er hatte einfach nix von dem, was wir suchten...
Mit schlechtem Gewissen wollte ich dann irgendwas bei ihm kaufen und auch seinem Sohn eine Kleinigkeit für die Hilfe geben. Aber da war - natürlich hier in Zentralasien - nix zu machen.
Eine spezielle Anpassung unseres Hilfsrahmens, die ich machen lassen wollte, wollte er noch organisieren. Also hat er einfach seinen Laden zugesperrt, ist mit uns und seinem Auto zunächst in ein Spezialgeschäft gefahren um Teile zu besorgen, dann zu der Werkstatt eines Bekannten. Doch der wollte die Anpassung nicht vornehmen. Nun hatte er ein schlechtes Gewissen, obwohl er ja nichts dafür konnte, dass sein Bekannter die Arbeit ablehnte. Direkt bot er an, die bereits abgeholten Ersatzteile wieder zurück zu bringen, damit uns kein Schaden entstehe. Einfach unbeschreiblich.
Ein Werkstattbesuch, der Freude macht...
Nach dem wir unsere Einkäufe auf dem Autobasar erledigt hatten, stand noch ein Werkstattbesuch auf dem Zettel. Zunächst mal nix Gravierendes: Getriebeöl auffüllen (leider verlieren wir da etwas), Abschmieren, ein neuer Hydraulikschlauch für die Lenkung, Dieselfilter wechseln, ...
Also mal gleich an der erst besten "Werkstatt" gehalten. Das Wort Werkstatt ist etwas hochgreifend für die hunderte Schrauberbuden, die es hier in Zentralasien gibt. Hier fahren Unmengen an alten deutschen und japanischen Wagen herum: Audi 80, Audi 100, alte Opel Astra, usw. Dazu viel altes Russenmetall. Und an den Dingern ist immer was zu tun. Meist kommt man auf der Straße keine 300m weit, bevor die nächste Karre am Straßenrand repariert wird. Einfach Schön. Was die allerdings in ein paar Jahren mit unseren hochgezüchteten, vor Elektronik strotzenden Hightech-Fahrzeugen machen sollen, an denen man ohne Werkstatt nicht mal mehr ein Birnchen wechseln kann, ist mir rätselhaft.
Aber zurück zur Werkstatt. Anhalten, kurz nachfragen. Es kann natürlich keiner englisch. Mit Händen und Füßen. Ja, ja. Man kann was machen. Es geht auch sofort los. Und sofort ist hier sofort. Nix mit auf Termin warten oder so. Unmittelbar.
Einer ist unbemerkt in die Werkstatt nebenan gelaufen und kommt mit Michael zurück, der gut englisch spricht. Das macht vieles leichter. Das er seine Arbeit liegen lassen muss, um einem wildfremden Deutschen zu helfen, der meint tausende Kilomter von zu Hause entfernt mit einer 30 Jahre alten Kiste herumzufahren, ist kein Thema.
Für den benötigten Hydraulikschlauch läuft ein anderer drei Häuser weiter und kommt mit einem jungen Mann zurück, der bei uns allein nach seinem Aussehen als "Gefährder" eingestuft und überwacht werden würde. Er nimmt Maß, schaut sich die Verschraubungen an und gibt mir zu verstehen, dass er bald zurück sein wird. Natürlich mit einem passenden Schlauch. Wieviel money? Nichts! "Welcome" (das einzige englische Wort, das er kennt). Es ist, ich glaube ich habe das Wort schon ein paar Mal verwendet, unbeschreiblich. Als er eine Stunde später Feierabend macht und vorbeifährt - wir sind noch am Schrauben - hupt er wild und fällt vor Winken fast aus dem Fenster: "Welcome."
Ein paar Stunden bin ich mit den Jungs zu Gange, am Ende wollen sie - inclusive Material - umgerechnet 24 Euro.
Und Michael, der englischsprechende Werkstattmann aus der Nachbarwerkstatt, lässt nicht eher locker, bis wir seine Einladung nach Hause annehmen. Seine Frau wird was Leckeres zum Essen machen (und es war oberlecker!) und unterwegs werden wir noch ein paar Bierchen kaufen (also er natürlich). Wir sitzen bis nach ein Uhr zusammen, essen, trinken Bier und reden viel. Über Traditionen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Orient und Okzident. Nach einigen Litern Bier haben wir beide zwar nicht die Welt verbessert, aber doch gemerkt, das zumindest wir beide nicht so weit von einander entfernt sind...
Und jetzt erlebe bitte einer sowas in der Servicewüste Deutschland...
Ich war begeistert - habe aufs kochen vergessen.....
Immer wieder schoen zu lesen ... fru mich immer zu hoeren das es euch gut geht
Lg moni und hertschi