Wir fahren auf einer Nebenstrecke Richtung Chefchaouen. Aber was heisst Nebenstrecke. Auf der Karte ist es immerhin eine gelbe Straße (also nach Autobahn und Nationalstraße die dritthöchste Kategorie). Aber die "Straße" ist unbeschreiblich. Sie ist zwar geteert - oder war es mal - aber das Wort "Schlagloch" ist eine infarme Untertreibung für die Krater, die sich hier auftun. Und es sind unzählbar viele Krater. Wo immer es geht fahren wir neben der Straße, das geht mit Abstand am Besten. Der gefahrene Schnitt liegt bei vielleicht 15km/h. Aber immerhin treffen wir auf keinen einzigen Joghurtbecher 😉 Bis Chefchaouen schaffen wir es nicht, so halten wir auf dem Stellplatz des Motel Rif in Ouazzane (man soll ja im gefährlichen Rif-Gebirge nicht frei stehen...).
Nach kurzer Fahrt - jetzt auf der Nationalstraße - erreichen wir am nächsten Tag Chefchaouen, die "verbotene" Stadt. Bis 1920 war es Christen verboten sie zu betreten. Die damalige Kolonialmacht Spanien (der Nordzipfel Marokkos war spanisch, nicht französisch) hat es nie geschafft, die Stadt einzunehmen. Dies gelang nur durch die Hilfe Frankreichs und Luftangriffen mit Bombenabwurf. Lange hielt sich ein Rebellenführer mit seinen Mannen in der hiesigen Kasbah und man sagt ohne die Hilfe der Franzosen, hätten die Rebellen den ganzen Norden von den Spaniern befreit. Welch eine Geschichte.
Wir sind zeitig da und stürzen uns (fast wörtlich) in die Medina. Die Medina (eigentlich ganz Chefchaouen) liegt an einem recht steilen Hang (unterhalb zweier Bergkegel von denen der Name stammt). Der Campingplatz liegt oberhalb und man kann wunderbar zu Fuß die engen blauen Gassen hinuntersteigen. Und die Medina ist wirklich schön. Die Farbe blau dominiert und stammt von Muslimen, die vor etwa 800 Jahren aus Andalusien einwanderten, als die iberische Halbinsel nach der maurischen Besetzung von den Christen zurückerobert wurde (wer hat in Geschichte aufgepasst?). Es ist traumhaft, hier herum zu schlendern. Wir geniessen den marokkanischen Wiskey (Tee) und lassen uns ein leckeres Abendessen munden. So kann man es aushalten.
Die Altstadt von Chefchaouen ist ein Traum in Blautönen.
Allerdings fällt die Militärpräsenz in der Medina auf. Es gab hier vor etwas mehr als einer Woche eine Demonstration mit kleineren Ausschreitungen. Jugendliche hatten etwas randaliert, wohl angestachelt von den Ereignissen in den anderen nordafrikanischen Staaten (der sogenannte "arabische Frühling" ist in vollem Gange). Seit dem war es wieder ruhig hier, aber das Militär zeigt noch Präsenz.
Schlimmer ist die Belagerung des Campingplatzes. Als wir zurückkommen, trifft uns der Schlag. Es ist als sei der Mob losgelassen. Rund zwanzig französische Wohnmobile einer geführten Tour, sind über den Platz hergefallen. Sie parken quer durcheinander und überall. Das Führungsfahrzeug steht direkt gegenüber von uns und als wir eintreffen, findet gerade das abendliche Happening statt. Alle sitzen im Halbkreis um den Veranstalter und der zeigt ihnen auf der Karte welche tolle Abenteuer sie heute bestanden haben und wie es morgen weitergeht. Grotesk. Wir haben eine andere Gruppe dieses Veranstalters schon auf dem Camping in Fes gesehen. Worin die Notwendigkeit für Franzosen besteht, sich einer geführten Tour in Marokko anzuschliessen, die auf Hauptstraßen von Campingplatz zu Campingplatz fährt, erschließt sich uns nicht. In einem Land, dass dutzende Jahre unter französischer Verwaltung war, in dem die zweite Sprache französisch ist, alles in französisch beschildert ist, vieles nach französischem Schema aufgebaut ist, sollten sich doch Franzosen, die auf Hauptstraßen von Campingplatz zu Campingplatz fahren, auch alleine zu Recht finden. Ich unterhalte mich kurz mit dem Chef des Unternehmens. Der kann gut damit (und davon) leben. Zur Zeit sind 17 Reisegruppen seines Unternehmens unterwegs. Ohne (weitere) Worte...
Chefchaouen ist (leider) die letzte Station für uns in Marokko. Von hier aus geht es nach Ceuta (der spanischen Enklave), per Fähre nach Algaziras und dann durch Spanien und Frankreich zurück ins beschauliche Saarland. Das "Abenteuer" ist überstanden. Unsere Erwartungen wurden mehr als erfüllt, vor allem in den einsamen Gebieten ab dem Atlasgebirge hat es uns sehr gut gefallen. Wenn es die Zeit zulässt werden wir gerne wieder kommen...
Eindrücke von Medina und Souk (Salé, Rabat, Rissani)