Das Thema der "Mitreise-Versuche" von Migranten an den EU-Außengrenzen sorgt immer wieder für Diskussionsstoff bei Fahrzeugreisenden. Wir sind am 24.01.2020 mit der Fähre von Nador (Marokko) aus nach Sète (Frankreich) zurückgefahren. Hier möchten wir Informationen über den Hafen und die Situation der Migranten dort weitergeben. Zur Erleichterung bei der Orientierung ist unten eine Karte mit Informationen angefügt.
Migranten-Problematik
Seit einigen Jahren stellen Migranten, die versuchen Europa zu erreichen, die Fahrzeugreisenden vor Probleme. Dies gilt für verschiedene EU-Außengrenzen und auch in großem Maße für Marokko. Fahrzeugreisende, die aus Marokko nach Europa zurückreisen, stehen folgende Häfen zur Verfügung: Tanger Med (der am meisten genutzte Hafen), Tanger Ville, Ceuta (spanische Exclave), Melilla (spanische Exclave) und Nador (direkt neben Melilla liegend). Bei allen diesen Häfen versuchen Migranten auf oder unter den Fahrzeugen das Hafengelände, bzw. bei den Exclaven das spanische Hoheitsgebiet zu erreichen. Beim Hafen Tanger Med ist die Migranten-Problematik etwas geringer, da hier die Zufahrt zum Hafen direkt von der Autobahn/Schnellstraße erfolgt und somit ein langsames Fahren durch Stadtgebiet entfällt. Im Stop-and-Go in Stadtgebieten ist es für die Migranten naturgemäß einfacher, auf die Fahrzeuge zu klettern.
Unsere Erfahrungen in Nador
Auf dem letzten Kilometer vor dem Hafen (siehe Karte "Heiße Zone"), gab es mehrere Versuche von Migranten, auf unseren LKW zu kommen. Etwa 6 oder 7 junge Männer haben das nacheinander versucht. Auf den hinteren Unterfahrschutz, bzw. das Ersatzrad haben sie es alle geschafft, manche auch aufs Dach. Ein paar auffällige Fahrmanöver (Schlangenlinienfahren), die wir - natürlich vorsichtig - durchgeführt haben und die näherkommende Hafeneinfahrt, haben dazu geführt, daß sie alle wieder von selbst abgestiegen sind. Wir vermuten, weil sie gemerkt haben, daß wir sie entdeckt haben. Letztlich haben sie ja, wenn sie entdeckt wurden, quasi keine Chance, auf das Hafengelände zu gelangen. Der Fahrer braucht ja nur der Polizei, die am Hafeneingang steht, einen Hinweis zu geben. Das scheinen sie auch zu wissen. Von anderen Reisenden haben wir gelesen, daß diese "Aufstiegsversuche" durchaus auch schon weiter vorher passieren. Die letzten sind von unserem Fahrzeug abgestiegen, als wir auf dem Parkplatz beim Check-In (A2) angehalten haben.
Als wir dann das Hafengelände erreicht hatten, wähnten wir uns in "Sicherheit". Das sollte sich jedoch später als nicht ganz richtig herausstellen…
Zunächst kamen wir dort in die Warteschlange für die Ausreisepapiere (Kart: B). Dort standen wir recht lange. Unsere Fähre hatte letztlich fast 7 Stunden Verspätung, was unseren Aufenthalt auf dem Hafengelände natürlich entsprechend lang machte. Nachdem die Reisepässe gestempelt waren, mussten wir wieder warten. Irgendwann gingen dann die Untersuchungen der Fahrzeuge los. Die PKW wurden meist manuell untersucht (D), alle Transporter und wir mit unserem Allrad-LKW und einige wenige PKW wurden geröntgt (C). Einige Fahrzeuge wurden trotz scannen noch manuell untersucht (D). Uns blieb das erspart - bestimmt, weil wir so ehrlich ausschauen… 😉
Anschließend nochmal stundenlanges Warten fast unmittelbar an der Kaimauer (E). Leider kam unsere Warteschlange, obwohl es quasi die erste am Kai war, erst ziemlich am Ende an die Reihe. Irgendwann habe ich dann mal einen Kontrollgang ums Auto gemacht, aufs Dach geschaut und auch unten drunter. Vielleicht sollte ich vorwegschicken, daß wir aufgrund eines Schadens am Fahrzeug zwei Spanngurte um Kofferrahmen und Hauptrahmen gespannt hatten und als Scheuerschutz zwei Sandalen meiner Gattin "verbaut" hatten, da sich die beiden ersten Spanngurte am Untergurt des Hauptrahmen durchgescheuert hatten. Ich blickte so unters Auto und dachte zuerst, "Mist, die Sandalen sind verrutscht". Dann ist mir aber aufgefallen, daß es gar keine Sandalen waren… Es hatte sich ein Migrant in unser Fahrgestell verkrochen, im Prinzip lag er überhalb des Verteilergetriebes und der Kardanwellen und des Auspuffes. Ich habe ihn mit der Lampe angeleuchtet und deutlich aufgefordert zu verschwinden, was er auch ohne Murren tat. Ich habe dann im Anschluss das Fahrzeug noch ein paar Mal kontrolliert, aber kein Weiterer hat es versucht. Meine letzte Kontrolle war dann unmittelbar bevor wir auf die Fähre gefahren sind, kurz bevor die Beamten nochmal kontrollieren (F). Alles okay. Dann haben die Beamten kontrolliert, allerdings nur sehr oberflächlich. Wenn wir gewollt hätten, hätten wir insgesamt 9 Migranten schmuggeln können (ich habe die nicht kontrollierten Bereiche in unserem Fahrzeug nachgerechnet) ohne daß es aufgefallen wäre. Also effektive Kontrolle: Fehlanzeige.
Nach uns kamen noch einige Fahrzeuge aufs Schiff, so konnten wir uns die "Endkontrolle" (F) nochmal in Ruhe aus erhöhter Position von Bord aus anschauen. Auch mit vielen anderen Fahrzeugen (stark beladenene Transporter, wir waren die einzigen Touris), hätten blinde Passagiere mitfahren können und sind es vielleicht auch. Mindestens einen haben sie allerdings bei den letzten Fahrzeugen gefunden: auf dem Dach eines Transporter-Anhängers liegend. Er kletterte runter und wurde "fast freundschaftlich" etwa 30 Meter weggeführt und dann dort alleine gelassen, mitten auf dem Warteplatz der Fahrzeuge. Auch der, der unter unserem Fahrzeug hing, wurde nur ein paar Meter eskortiert und dann alleine gelassen. Es wurde keiner der Gefundenen aus dem abgesperrten Hafenbereich geschafft…
Fazit:
Letztlich war das Ganze zwar spannend, aber für uns "harmlos". Wir haben keinerlei Agressivität erlebt, auch nicht von den Migranten, die es an unserem Auto versucht haben. Nicht bei dem, den ich unter unserem Auto rausgescheucht habe und auch nicht bei anderen, die an/auf anderen Autos entdeckt wurden. Also Sorgen machen wir uns für unseren Teil daher nicht und werden auch wieder nach Marokko fahren und auch wieder Nador als Hafen wählen. Am Fahrzeug befestigter Stacheldraht, Stachelhecken oder Weidezaungeräte (wie teilweise in Foren "empfohlen") halten wir nicht für notwendig und distanzieren uns auch ausdrücklich von solchen Methoden. Das wäre - wenn überhaupt - nur anders, wenn wir Agressivität erlebt hätten, was nicht der Fall war. Natürlich wäre es schlimm, wenn einem der Jungs was passieren würde (vom Dach fallen, von unserem Fahrzeug überrollt werden) oder am eigenen Fahrzeug was kaputt ginge.
Was auch defintiv nicht passiert ist, war daß Fahrer an deren Fahrzeuge Migranten von den Beamten entdeckt wurden, irgendwelche Schwierigkeiten dadurch hatten. Die Leute mussten vom Fahrzeug runter und die Fahrer durften unbehelligt auf die Fähre fahren. Also ist die in Foren häufiger genannte Sorge, als "Menschenschmuggler" bestraft zu werden, unbegründet. Zumindest war das am 24.01.2020 in Nador so und ich würde wetten, daß das dort immer so ist. Vor allem, wenn man mit einem Touristenfahrzeug dort ankommt. Die Beamten dort kennen ja die Situation. Das mag bei LKW an der griechischen oder englischen Grenze anders sein, hier jedoch offensichtlich nicht.
Letztendlich halten wir die durchgeführten Kontrollen aber für mehr als ineffektiv. Die Polizei hat bei der Einfahrt in den Hafen gar nicht kontrolliert. Ich habe dort angehalten und selbst auf dem Dach nachgesehen. Der Beamte hat mich dann gefragt, ob alles in Ordnung sei. Das war's. In unserem Auto hätten da zwanzig Migranten sitzen und noch einige auf dem Dach liegen können. Es gabe keine Spiegel oder Kameras um auf die Fahrzeugdächer zu schauen, wie wir das von anderen Grenzen kennen. Es hat kein Mensch ins Fahrzeug geschaut. Also letztlich kein Wunder, daß es von den Migranten immer wieder versucht wird. Das Klettern auf fahrende Fahrzeuge wäre wohl sehr leicht abzustellen, wenn schon bei der Hafeneinfahrt ordentlich kontrolliert würde. Wird aber nicht, also muss man damit rechnen, daß es immer wieder einige auf das Hafengelände schaffen, deswegen muss man auch dort aufpassen.
Tipps:
- Ruhig bleiben und nicht deswegen nicht nach Marokko wollen… 😉
- Bei der Anfahrt zum Hafen die Rückfahrkamera - falls vorhanden und möglich - auf Dauerbetrieb stellen. Im Prinzip erfolgt der Aufstieg ja immer hinten, dann sieht man das.
- Falls man eine Actioncam hat und einen Selfiestick, kann der Beifahrer auch das Dach recht einfach während der Fahrt im Auge halten.
- Falls welche hochklettern, denen zeigen, daß man sie entdeckt hat. Dann werden die von alleine wieder verschwinden, weil sie wissen, daß sie dann an der Polizei an der Hafeneinfahrt nicht vorbeikommen. Das gelingt ihnen nur, wenn sie unentdeckt bleiben.
- In der Regel muss man vor der Hafeneinfahrt noch zum Check-In, der liegt außerhalb. Eigentlich reicht es, wenn man sie dann dort auf dem Parkplatz runterscheucht, sprich ihnen zeigt, daß man sie entdeckt hat. Hier gibt es übrigens die typischen "Grenzschleuser", die mit einem zum Check-In laufen, sich wichtig machen und anschließend Geld für ihre Dienste wollen. Der Check-In ist ordentlich und gesittet, auf diese "Hilfsdienste" kann man getrost verzichten.
- Im Hafengebiet selbst immer mal wieder kontrollieren (Dach und unter dem Fahrzeug), wobei das letztlich nur nach der Fahrzeugkontrolle (Scanner oder manuell) und vor dem Auffahren auf die Fähre Sinn macht.
- Unbedingt auch vor dem Ausfahren aus der Fähre im Zielhafen nochmal das Fahrzeug kontrollieren (innen, auf dem Dach und unten drunter). Wir sind uns sicher, daß es immer wieder welche aufs Schiff schaffen und die müssen ja auch wieder runter…
- Mensch bleiben 😉
Anmerkung:
Die hier genannten Informationen stellen unsere Erfahrungen dar. Wir können und wollen für die Infos nicht garantieren und haben auch nicht "die Weisheit mit Löffeln gefressen". 😉
Wir geben nur einfach unsere Erfahrungen weiter, vielleicht kann ja jemand etwas damit anfangen...